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ÜBER DIE VERANSTALTUNG IM EIMSBÜTTELER HAMBURG-HAUS VOM 15. OKTOBER – ANTIFASCHISTISCHE INTERVENTION

Hier folgt eine ausführliche Wiedergabe der Veranstaltung im Hamburg-Haus in Eimsbüttel, zu der unter anderem die AfD mobilisierte. Auf der Veranstaltung ging es um die Unterbringung von ca. 30 Jugendlichen Menschen mit Fluchthintergrund. Unsere Wiedergabe soll auch einen Gegenentwurf zur oberflächlichen Berichterstattung des Hamburger Abendblatts darstellen.

Informationsveranstaltung zu geplanter Unterkunft für 30 Jugendliche mit Fluchthintergrund in Eimsbüttel

Am Dienstagabend dem 15. Oktober fand um 18 Uhr eine Informationsveranstaltung der Sozialbehörde und des Landesbetriebs Erziehung und Beratung (LEB) der Stadt Hamburg statt. Thema war die geplante Unterbringung von 30 minderjährigen Geflüchteten im tiefsten Eimsbüttel am Isebekkanal. Damit würde diese Unterkunft nicht, wie viele andere, an den Rand der Stadt verbannt und sich selbst überlassen werden. Dagegen mobilisierte schließlich die AfD-Fraktion Eimsbüttel, sprach von einer „Flüchtlingsindustrie“ und kündigte an, sie wolle auf der Veranstaltung vertreten sein.

Zu dieser Veranstaltung kamen schließlich mindestens 200 Menschen. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts hatte am Montag auf die Absichten der AfD aufmerksam gemacht, woraufhin verschiedene antifaschistische Zusammenhänge ebenfalls angekündigt hatten, zu kommen. Die Veranstaltenden der Stadt Hamburg baten anschließend um Polizeischutz und sprachen nur davon, dass “verschiedene politische Strömungen“ zur Veranstaltung mobilisiert hatten. Ein Großteil der Besucher*innen der Informationsveranstaltung begrüßten die Unterbringung und brachten wichtige Fragen und Anregungen ein: Zum Beispiel, dass eine Kooperation mit dem Sportverein ETV um die Ecke abgeschlossen werden könne oder dass es Möglichkeiten geben müsse, um mit den untergebrachten Menschen in Kontakt treten zu können. 

Die „besorgten Kritiker*innen“ – oder: Rassismus gibt’s in Eimsbüttel doch gar nicht!

Von rassistischen Untertönen bis offener Agitation gegen Menschen mit Fluchthintergrund keine Spur im “behüteten Eimsbüttel“? Weit gefehlt: Das Hamburger Abendblatt veröffentlichte noch am selben Abend der Veranstaltung einen Artikel mit folgendem Titel: „Flüchtlinge in Eimsbüttel: Kritiker bei Info-Abend heftig angegangen“. An dieser Überschrift allein lässt sich bereits so viel ablesen: Die „Kritiker“ der „Flüchtlinge in Eimsbüttel“ – wer war das jetzt genau? 

Es wurde schnell klar, dass es sich eben nicht um bloße „Kritiker*innen“ handelte, denen es am Herzen lag, das solidarische Zusammenleben zu gestalten. Die besorgten Fragen, die oftmals ellenlangen, “besorgten“ Monologen vorausgingen, bedienten viel eher jegliche rassistische Vorurteile gegenüber Menschen mit Fluchthintergrund. Hier ein paar Beispiele: 

Ein Mann, der offensichtlich zur AfD gehörte oder zumindest (Des)Informationsmaterial der AfD ausgedruckt mitgebracht hatte, ging so weit, einen minutenlangen Monolog über jüdisches Leben in Eimsbüttel zu halten, angefangen mit dem Nationalsozialismus, über die Anschläge von 9/11 – mit dem klaren Ziel, Menschen mit Fluchthintergrund als neue, größte Gefahr für jüdisches Leben in Eimsbüttel darzustellen. Es handelte sich wirklich um eine von Rassismus triefende Wortmeldung. Die Berichterstattung des Hamburger Abendblatts fasste diesen ekelhaften Vorfall wie folgt zusammen: „Besorgtere Anwohner dagegen ließen viele nicht so gern zu Wort kommen. Sie wurden häufig durch Zwischenrufe unterbrochen und auch persönlich angegangen. Zumindest in einem Fall hatte es damit augenscheinlich wirklich den richtigen Mitbürger getroffen.“ Das ist die einzige Äußerung, die sich zu dem AfD-Mann beim Hamburger Abendblatt finden lässt. Ganz im Gegenteil: Was das Hamburger Abendblatt in einem späteren Artikel “Flüchtlinge in Eimsbüttel: Moralische Überlegenheit ist gefährlich” zu berichten hatte, war vielmehr, dass an diesem Abend Bürgerinnen mit Töchtern “mundtot” gemacht wurden und dass man ja “alles fragen dürfen” müsse und nicht alle “gleich rechts” sein, was übrigens niemand öffentlich behauptet hat. Die vom Großteil der solidarischer Besucher*innen geäußerte Kritik wird vom Hamburger Abendblatt vielmehr als moralische Überlegenheit abgestempelt. Über das Rassismus-Problem, das diese Veranstaltung begleitet hat? Kein einziges Wort, auch im Artikel der Eimsbütteler Nachrichten nicht. Rassismus gibt es in Eimsbüttel ja auch gar nicht. Solide Berichterstattung, nicht wahr? 

Weitere Wortmeldungen sprachen die Sorge um ihre Töchter an, die nachts nun gefährdet seien – ein klassisch rassistischer Gedanke mit viel Geschichte, der eine Menschengruppe unter Generalverdacht stellt und zugleich den falschen Anschein erweckt, die Gefahr vor Übergriffen würde ‘importiert’. Dass das nicht stimmt, müssen wir euch nicht erzählen und kann auch einfach ganz gut selbst nachgelesen werden. Hier bemühten sich die Veranstaltenden und die Moderation der Veranstaltung, mit Nachsicht auf diese Fragen zu reagieren. Die behüteten Eimsbüttler*innen in Cashmere-Mantel (kein Scherz) wurden gebeten, sich aus ihrer “Blase“ zu bewegen und keine Vorurteile walten zu lassen. Die fundamentale Problematik dieser Aussagen wurde von den Veranstaltenden der Stadt Hamburg nicht angesprochen. 

Vielfältiger antifaschistischer Gegenprotest 

Als die zutiefst rassistische Wortmeldung des AfD-Mannes und den anderen “besorgten Beiträgen“ von den Veranstaltenden kein Einhalt geboten wurde, haben Aktivist*innen ein Banner mit dem Schriftzug „Rassismus bekämpfen. Auf allen Ebenen. Mit allen Mitteln“ im Saal ausgebreitet und hochgehalten. Daraufhin gab es viel Zuspruch aus dem Publikum. Verschiedene Anwohner*innen kritisierten die rassistischen Wortmeldungen und sprachen sich deutlich für die Unterkunft aus. Auch nach der Veranstaltung gab es viele Gespräche mit Besucher*innen und Anwohner*innen, welche Zuspruch signalisiert haben und dankbar waren, dass antifaschistische Gruppen auf der Veranstaltung vertreten waren. Bis auf ein einziges Gespräch nach der Veranstaltung: Da wurde den Aktivist*innen vorgeworfen, sie seien am Ende genauso schlimm wie die AfD, auch das Wort “Diktatur“ wurde geäußert – naja, das war es aber auch schon. Der wirklich lupenreine Rassist versuchte schließlich nach der Veranstaltung, uns zu fotografieren – hat aber nicht so ganz geklappt. Mit diesem insgesamt gewaltigen Zuspruch war die vielfältige antifaschistische Präsenz ein Erfolg! Gerade weil die Zusammenarbeit zwischen antifaschistischen Gruppen und Anwohner*innen mitsamt ihren Überschneidungen so gut funktioniert hat.  

Es ist uns damit sehr wichtig, hervorzuheben, dass bei dieser Veranstaltung viele Menschen zusammengekommen sind, um dieser Dynamik des Rassismus der AfD und jenen ‘besorgten Bürger*innen’, die in ihre ‘Sorge’ doch nur Rassismen reproduzieren und sich von ihnen leiten lassen, entgegenzutreten – Studierende, Omas gegen Rechts, Anwohnende, viele mehr. Im Endeffekt waren Menschen verschiedenster Gruppen, verschiedensten Alters aus dem Viertel dort, um ganz klar zu begrüßen, dass Menschen hier aufgenommen werden.

Rassistische Geflüchtetenpolitik der Stadt Hamburg blieb weitgehend unausgesprochen

Die Gegenmobilisierung war damit ausdrücklich auch nicht dazu gedacht, einen Bürger*innentreff als solchen lahmzulegen – das ist ja auch gar nicht passiert. 

Es muss aber auch angemerkt werden, dass die Stadt Hamburg mit ihrer rassistischen Politik wie der Bezahlkarte und der Unterbringung von Geflüchteten in der ZEA Rahlstedt unter teilweise miserablen Bedingungen, und vieles mehr hier mitgedacht werden muss. Dieses Thema bekam bei der Informationsveranstaltung leider keinen Platz, obwohl auch die Möglichkeit dazu da gewesen wäre: So wurde zum Beispiel auch das Unternehmen „Fördern & Wohnen“ angesprochen, das beispielsweise die ZEA in Rahlstedt organisiert – eine Unterkunft, von der wir wissen, dass die Unterbringungsbedingungen teilweise miserabel sind. 

Wir mussten auch feststellen, dass Fragen und rassistischen Beiträgen eine Bühne geboten wurde und diese teilweise auch von den Veranstaltenden dadurch legitimiert wurden, dass ‘ja jede Frage und jede Sorge berechtigt sei’. Auch das haben mehrere Menschen im Saal direkt kritisiert und nicht unbeantwortet gelassen. Wir sehen – auch wenn das bei Weitem nichts Neues ist – dass lokale Berichterstattung wie die des Hamburger Abendblatts nicht in der Lage zu sein scheint, die wirklichen Probleme, die während dieser Veranstaltung deutlich wurden, anzusprechen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wenn nicht zur Veranstaltung mobilisiert worden wäre, die Veranstaltung von rechten Stimmen gekapert worden wäre. 

Das konnte so verhindert werden, und dafür bedanken wir uns bei wirklich allen, die dazu beigetragen haben!

Alerta Antifascista!